Mythen und Geschichte

Kythira, der Geburtsort der Aphrodite

Griechenlands vergessene Insel bezaubert erst auf den zweiten Blick. Eine Insel für Entdecker, denn das, was es zυ sehen gibt, drängt sich nicht in den Vordergrund. Kythira ist auch die Insel Aphrodites; hier – nicht auf Zypern, wie Zweifler behaupten – in einer Bucht im Südosten, soll die „Schaumgeborene“ dem Meer entstiegen sein. Ob Kythira oder Zypern, mag jeder selbst entscheiden. Auch in Fachkreisen herrscht Uneinigkeit über den wahren Geburtsort der Liebesgöttin, doch wenn man in der Bucht von Paleopoli steht, fällt die Entscheidung nicht schwer …

Paleopoli Aphrodite Strand

Paleopoli – Aphrodite Strand

Sagenumwoben ist sie, die Liebesgöttin Aphrodite, und angenommen, es war Kythira (und nicht Zypern), wo sie dem Meer entstiegen ist, so trug sich hier, an der Südostküste der Insel, einst Grausiges zu: Damals hatte Κronos, König der Titanen, eine große Wut auf seinen brutalen Vater Uranos, eine so große Wut, daß er ihm die Genitalien mit einer Sichel abschnitt und hinter sich ins Meer warf. Das Blut von Uranos verwandelte sich in Schaum und aus jenem Schaum wurde Aphrodite, die „Schaumgeborene“. Einziges Zeugnis dieses Geschehens sind heute zwei kleine Felsen, die im Meer bei Paleopoli an den qualvollen Tod des Uranos erinnern …

Sandro Botticelli Aphrodite Kythira

Sandro Botticelli –  Aphrodite

Um Aphrodite und ihre Eskapaden ranken sich die Mythen. Spöttisch soll sie gewesen sein, sinnlich und schön, und den Sterblichen nicht abgeneigt. Dem Ehemann Hephaistos setzte sie Hörner auf, sie hatte Affären mit Ares, Hermes und Adonis – Aphrodite konnte sich alle Götter ergeben machen. Am bekanntesten ist allerdings der Mythos um Aphrodite und Ρaris: Auf einer Hochzeit, an der auch Hera, Athene und Aphrodite teilnahmen, sollte Paris diejenigen, die den Titel „verdient“ hatte, einen goldenen Apfel mit der Aufschrift „Der Schönsten“ übereichen. Bestechung war auch ίn der Antike kein Fremdwort, und Aphrodite – nicht nur schön, sondern auch schlau – konnte Paris das verlockendste aller Angebote unterbreiten und so ihre Rivalinnen Hera und Athene ausstechen: Würde sie den Apfel erhalten, konnte sie Paris mit der wahrhaftig schönsten Frau der Welt zusammenbringen – auch das Paradoxe hatte ίn der Antike seine feste Verankerung. Die gekürte Liebesgöttin hielt Wort und half Paris tatkräftig bei der Entführung der nicht abgeneigten „Schönen Helena“, was letztendlich zum Ausbruch des Trojanischen Krieges führte.

Sandro Botticelli - Das Urteil des Paris

Sandro Botticelli – Das Urteil des Paris

Eine Statue von Paris zeigt, wie er der Aphrodite mit ausgestreckter Hand einen Gegenstand – man vernutet einen Apfel – darbietet.

Paris, die „Schöne Helena“ und die Sempreviva

Der Mythos sagt, dass die beiden auf ihrer Reise nach Troja in Kythira anhielten, um der Göttin Aphrodite ihre Ehrerbietung entgegen zu bringen, da sie unter dem persönlichen Schutz Aphrodites standen. Als die schöne Helena die Schönheit der Aphrodite wahrnahm, wurde sie eifersüchtig und versuchte Paris zu nötigen, sie zur der schönsten Frau der Welt zu küren.
Paris, der die schöne Helena beruhigen wollte, erzählte ihr, indem er ihr eine gelbe Blüte zeigte: „Siehst du diese Blume“ und sprach, dein Haar hat ihre goldene Farbe, dein Körper ist so filigran wie ihr Stiel und deine Haut ist so weich und samtig wie ihre Blätter. Deine Schönheit ist unvergänglich wie die der Blume. Die Blume hieß Ελίχρυσος – Sempreviva

Sempreviva - die schöne Helena und Paris

Sempreviva

Kythira in der romantischen Verklärung

Die Insel Kythira galt im 18. Jahrhundert als ein Reich der Liebe, fern aller Konflikte. Die “Einschiffung nach Kythera“ (französisch Pèlerinage à l’île de Cythère) ist der Titel dreier Gemälde des französischen Malers Jean-Antoine Watteau.
Es ist der Ort, an dem Aphrodite der Mythologie nach aus dem Schaum des Meeres an Land gestiegen sein soll. Eben an dieser Stelle haben sich zahlreiche Liebespaare versammelt.

Einschiffung nach Kythera Watteau

Einschiffung nach Kythera – Jean-Antoine Watteau

Der französische Schriftsteller Charles Baudelaire hat die Insel in seinem Gedicht „Un Voyage à Cythère“ verewigt.

Als der französische Seefahrer Louis Antoine de Bougainville Tahiti vom 6. bis 15. April 1768 für die Franzosen einnahm, nannte er die Insel „Île de la Nouvelle Cythère“ (Neu-Kythira).

„Eine Welt schafft eine Welt und Kythira ist eine andere Welt,
sagten die Venezianer, wenn sie von Kythira sprachen.

Geschichte

Älteste Funde deuten auf eine Besiedlung der Insel bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. hin. Während der minoischen Epoche bestanden Verbindungen zwischen Kythira und Kreta, vermutlich war die Insel Zwischenstation auf dem Seeweg der Minoer gen Westen. Auch zu mykenischer Zeit war Kythira bewohnt. Dank ihrer günstigen Lage zwischen Ost und West genoß die Insel bei den Phöniziern ab etwa dem 9./8. Jh. v. Chr. großes Interesse, nicht zuletzt auch wegen den hier reichlich vorhandenen Purpurschnecken, die aus dem Meer gefischt und zur Gewinnung der edlen Farbe (Ζ.Β. zum Einfärben der Königsgewänder) benutzt wurden. Zu dieser Zeit war die Insel auch unter dem Namen „Porphyrusa„, die „Purpurinsel“, bekannt.

Ab dem 6. Jh. v.Chr. beginnt mit der Vereinnahmung durch die Spartaner für die Insel eine sehr wechselvolle Geschichte: Strategisch günstig gelegen war Kythira Zankapfel der beiden Supermächte Athen und Sparta, bis mit dem Ende des Peloponnesischen Krieges (431-404 v. Chr.) und der damit verbundenen Niederlage Athens auch das Interesse an der Insel erlosch und Sparta sich zum Feldzug gegen die eben noch verbündeten Perser aufmachte. Nach einem kurzen Intermezzo der Makedonier waren ab dem 1. Jh. v. Chr. die Römer Machthaber der Insel – bis die Byzantiner 395 n. Chr. das Erbe des römischen Imperiums antraten. Doch zu dieser Zeit war Kythira schon längst in die Bedeutungslosigkeit versunken.

Nach einer langen Periode der Verödung wurde Kythira im 12. Jh. n. Chr. dem damals sehr mächtigen Monemvasia unterstellt, und bald (1207 n. Chr.) an die venezianische Familie Veneris übergeben. Ιn diesem Zeitraum entstand auch die damalige Hauptstadt ΡaΙeοchόra. Im Jahr 1537 wurde sie durch den Piraten und türkischen Admiral Hayreddin Barbarossa dem Erdboden gleichgemacht, zwei weitere Überfälle sollten folgen. Dennoch blieb die Insel unterbrochen von einer dreijährigen Besatzung durch die Τϋrken – bis 1797 in der Hand der Großmacht Venedig. Von da an gleicht die Geschichte Kythiras die der anderen Ionischen Inseln: 1797 kamen die Franzosen, nur ein Jahr später gewannen die russischen. Streitkräfte die Oberhand, 1800 wurde die Ionische Republik ausgerufen, 1807 folgte ein kurzes Intermezzo der napoleonischen Truppen, bis schließlich 1809 die Engländer ihre Flagge auf der Insel hissten, – sichtbarstes Zeugnis der 55 Jahre dauernden englischen Herrschaft ist sicherlich die „Englische Brϋcke“ bei Katouni, die erste Schule, nähe Livadi, und das ausgedehnte Straßennetz. 1864 wurde schließlich der Anschluss der Ionischen Inseln an Griechenland vollzogen.

Im 20. Jh. wird Kythira von einer starken Auswanderungswelle geprägt: Der größte Teil derer, die ihrer Insel den Rücken kehren, geht nach Amerika und später, besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem nach Australien. Dort schätzt man die Anzahl der Zuzügler kytheranischer Herkunft auf etwa 60.000, während auf der Insel selbst nur noch etwa 3.000 ständige Bewohner verzeichnet werden können.